Schule & Lehrkräfte
Informationen für Lehrkräfte
Das Chronische Fatigue Syndrom (ME/CFS) ist eine schwere Multiorganerkrankung, die von der Weltgesundheitsorganisation als neurologische Krankheit eingestuft wurde und oft zu einem hohen Grad körperlicher Behinderung führt. Leitsymptom des ME/CFS ist eine krankhafte Erschöpfung (Fatigue), die das alltägliche Aktivitätsniveau erheblich einschränkt und von multiplen weiteren Symptomen begleitet wird. Die Betroffenen leiden typischerweise unter Kopf-, Muskel- und/oder Gelenk-Schmerzen, Schlaf-, Konzentrations-, Gedächtnis- und/oder Kreislaufstörungen, Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Lärm, Hitze und/oder Kälte sowie grippeähnlichen Symptomen. Charakteristisch für ME/CFS ist eine ausgeprägte und lange anhaltende Verstärkung aller Symptome nach geringer körperlicher und geistiger Anstrengung (sogenannte post-exertionelle Malaise, PEM).
Beim Unterrichten von Kindern und Jugendlichen mit ME/CFS ist es hilfreich, über die Probleme, mit denen diese Schüler* konfrontiert sind, genau informiert zu sein.
Daher haben die Centers of Disease Control and Prevention (CDC) in den USA ein sehr hilfreiches Informationsblatt für Lehrer* erstellt.1 In Anlehnung daran finden Sie im Folgenden einige Tipps, die Sie als Lehrer in der Betreuung ME/CFS kranker Schüler unterstützen können.
Um die an ME/CFS erkrankten Schüler bestmöglich zu unterstützen, sollten Eltern, Lehrer und Ärzte als Team zusammenarbeiten. Dieser Team-Ansatz ermöglicht es, flexibel auf die jeweiligen Bedürfnisse des erkrankten Schülers einzugehen.
ME/CFS wirkt sich auf jeden Schüler unterschiedlich aus. Die Art, Dauer und Ausprägung der Symptome können innerhalb eines Tages, von Tag zu Tag und von Woche zu Woche variieren. Dadurch verringert sich die Möglichkeit eines Erkrankten erheblich, regelmäßig zur Schule zu gehen und gleichbleibende Leistungen zu erbringen. Die schlechte Planbarkeit der täglichen Verfassung erschwert die Organisation der Beschulung, kann aber durch flexible Maßnahmen kompensiert werden.
ME/CFS kann das Leben betroffener Kinder und Jugendlicher in vielerlei Hinsicht beeinträchtigen, beispielsweise durch:
- verminderte Möglichkeit zur Teilnahme am normalen Alltag, sowohl innerhalb, als auch außerhalb des Klassenzimmers
- eingeschränkten Kontakt und Beziehungen zu Gleichaltrigen
- verminderte Fähigkeit, Hausaufgaben und andere Verpflichtungen zu erfüllen
- geringeren schulischen Erfolg
- Frustration, Angst und/oder Verzweiflung angesichts der Beschwerden und ihrer Folgen
Lehrkräfte, die mit ME/CFS nicht vertraut sind, könnten die Symptomatik eines Kindes fälschlicherweise als Faulheit oder Vermeidung sozialer Interaktion interpretieren. Auch eine Besserung in den Schulferien darf nicht missinterpretiert werden, sondern kann den geringeren Belastungen geschuldet sein. Viele Patienten versuchen, bestmöglich am Schulunterricht oder außerschulischen Veranstaltungen teilzunehmen, müssen sich aber danach stunden- oder tagelang liegend erholen.
Nachfolgend sind einige Beispiele dafür genannt, wie ME/CFS betroffene Schüler beeinträchtigen kann:
- Die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit kann durch ME/CFS-Symptome, wie z.B. Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, nicht erholsamen Schlaf, sowie Kopf- und andere Schmerzen, beeinträchtigt sein und damit die schulischen Leistungen verschlechtern.
- Kinder und Jugendliche mit ME/CFS haben oft Probleme, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, z.B. Zuhören und Schreiben.
- Viele Kinder und Jugendliche mit ME/CFS leiden in den Morgenstunden unter stärker ausgeprägten Symptomen, so dass sie Probleme haben, pünktlich zur Schule zu kommen oder morgens in der Schule aufmerksam zu sein.
- Kinder mit ME/CFS können hinsichtlich ihres Reaktionsvermögens, der Verarbeitung von Information, sowie beim Abrufen von verbalen und visuellen Eindrücken Defizite aufweisen.
- Einige Schüler mit ME/CFS können zwar die Aufgaben für ihre spezifische Altersgruppe erledigen, benötigen dafür aber mehr Zeit als regulär vorgesehen.
Tipps für Lehrkräfte
ME/CFS ist eine komplexe Störung, die sich auf das Lernen und die Teilnahme am Unterricht auswirkt. Lehrer können den von ME/CFS betroffenen Schülern helfen, indem sie sich bemühen eine motivierende, unterstützende und entlastende Lernumgebung zu schaffen.
Im Folgenden finden Sie einige Vorschläge:
- Veranlassen Sie ein zweites Bücherset, so dass die Belastung durch den Transport auf dem Schulweg entfällt.
- Stellen Sie abwesenden Schülern Materialien und Notizen aus dem Unterricht zur Verfügung und informieren Sie sie über Hausaufgaben, damit versäumter Stoff bestmöglich nachgeholt werden kann.
- Unterstützen Sie mit ergänzendem Nachhilfe- bzw. Hausunterricht.
- Geben Sie mehr Zeit für Freiarbeiten und Prüfungen (Nachteilsausgleich).
- Ermöglichen Sie den Schülern, zusätzliche Pausen einzulegen oder sich zwischenzeitlich (beispielsweise in den Sanitätsraum) zurückzuziehen.
- Gestatten Sie den Schülern gegebenenfalls individuelle Anwesenheitszeiten, falls erforderlich auch Konzentration auf die Hauptfächer oder nur stundenweise Teilnahme an einzelnen Wochentagen.
- Ermöglichen Sie es, den Fahrstuhl anstelle der Treppe zu benutzen, und gegebenenfalls die Pause im Klassen- oder Lehrerzimmer zu verbringen.
- Gestatten Sie die Nahrungsaufnahme und, bei Kreislaufproblemen, Bewegung oder Liegen während des Unterrichts (eventuell Liege im Klassenzimmer aufstellen).
- Unterstützen Sie Ärzte, Eltern und Betroffene dabei, Mitschüler und andere Lehrer zu informieren und zu sensibilisieren. Alle Beteiligten sollten um die Einschränkungen und Vereinbarungen wissen.
- Fragen Sie die betroffene Familie und das Ärzteteam an der Universitätsklinik, ob eventuell ein Schulbesuch mit Aufklärungsvortrag willkommen bzw. möglich ist.
HINWEIS: Die obige Liste ist nicht vollständig. Lehrkräfte müssen möglicherweise auf die besonderen Bedürfnisse jedes Schülers individuell eingehen, um der ME/CFS-Problematik gerecht zu werden.
* Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben
auf Angehörige aller Geschlechter.
Download:
- https://www.cdc.gov/me-ME/CFS/me-ME/CFS-children/factsheet-educational-professional.html, übersetzt von Dr. med. Stephanie Englbrecht und ergänzt/adaptiert von Prof. Dr. med. Uta Behrends [↩]